Kosten der Nachhilfe beim Unterhalt

Kosten für Nachhilfe sind Mehrbedarf. Der nicht betreuende Elternteil muss sich hieran beteiligen. Die Beteiligungshöhe richtet sich nach dem Anteil an dem Familieneinkommen.

Regelmäßige Nachhilfe begründet einen unterhaltsrechtlich beachtlichen Mehrbedarf, wenn sachliche Gründe vorliegen, die sie als angemessene Kosten der Ausbildung erscheinen lassen oder der Unterhaltsschuldner mit ihr einverstanden war

OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.6.2020 – 4 UF 176/19

Das OLG Frankfurt hat eine interessante Entscheidung zu Sonder- und Mehrbedarf beim Kindesunterhalt getroffen. Die Mutter verlangte für die von ihr betreuten Kinder vom Vater Mehr- bzw. Sonderbedarf für außerschulischen Förderunterricht und kieferorthopädische Behandlung. Das Gericht entschied hierzu:

„Als Mehrbedarf sei der Teil des Lebensbedarfs (§ 1610 BGB) anzusehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht – zumindest nicht vollständig – erfasst werden könne, andererseits aber kalkulierbar sei und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden könne. Zum Mehrbedarf würden auch die Kosten eines vom betreuenden Elternteil im Rahmen seiner Alltagssorge veranlassten Besuchs einer privaten Bildungseinrichtung rechnen, welche der Unterhaltsberechtigte allerdings nicht unbeschränkt, sondern nur beim Vorliegen sachlicher Gründe geltend machen könne.

Sachliche Gründe sein gegeben, wenn für die kostenauslösende Inanspruchnahme eines privaten Lehrinstituts im Vergleich zu den schulischen Förderangeboten so gewichtige Gründe vorlägen, dass es gerechtfertigt erscheine, die dadurch verursachten Mehrkosten zu Lasten des nicht betreuenden Elternteils als angemessene Kosten der Ausbildung im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB anzuerkennen. Das Fehlen sachlicher Gründe könne der nicht betreuende Elternteil dem geltend gemachten Mehrbedarf nicht entgegenhalten, wenn er mit der Maßnahme einverstanden gewesen sei. Für berechtigten Mehrbedarf hafteten beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen nach Abzug eines Sockelbetrags in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (§§ BGB § 1606 Abs. 3 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB; vgl. Ziffer 12.4 der Unterhaltsgrundsätze). Der Senat gehe vom Vorliegen sachlicher Gründe im vorbeschriebenen Sinne für den durch die private außerschulische Förderung der Kinder Kind1 und Kind2 entstandenen Mehrbedarf aus.

Die Förderung des Kindes1 in den Fächern Deutsch und Englisch im Institut D (jetzt D1) sei auf einvernehmliche Veranlassung beider Eltern im Hinblick auf schwache Lese- und Rechtschreibleistungen bereits im Jahr 2012 aufgenommen worden. Sie sei vom Antragsgegner selbst noch im Jahr 2015 um ein weiteres Jahr verlängert worden, obwohl Kind1 im Abschlusszeugnis des Schuljahres 2014/2015 in keinem einzigen Fach eine schlechtere Note als eine 2 gehabt hätte und obwohl der Fachdienst X des A-Kreises mit Schreiben vom 22.7.2015 eine Förderung des Kindes1 abgelehnt habe. Da Kind1 bei der sogenannten Hamburger Schreibprobe zwischenzeitlich ein unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt habe und beim Eingangstest für die gymnasiale Oberstufe erneut eine Schwäche in Deutsch festgestellt worden sei, deretwegen Kind1 eine spezielle schulische Förderung erhalte, spreche Vieles dafür, dass die gute Realschulabschlussnote des Jahres 2019 zumindest auch Folge der kontinuierlichen außerschulischen Förderung im Institut D bzw. D1 sei. Der von der Antragstellerin auch nach der Trennung der Beteiligten auf Wunsch des Kindes fortgeführten Förderung könne der Antragsgegner vor diesem Hintergrund nicht das Fehlen sachlicher Gründe entgegenhalten. Der geltend gemachte Mehrbedarf des Kindes2 sei ebenfalls in voller Höhe als berechtigt anzuerkennen.

Die außerschulische Förderung des Kindes2 wegen einer Lese- und Rechtschreibschwäche und einer Aufmerksamkeitsstörung seien ebenfalls bereits im Jahr 2012 von beiden Eltern veranlasst und vom Antragsgegner zuletzt im Jahr 2015 um ein weiteres Jahr verlängert worden. Dass Kind2 in Folge der Förderung bis zum Jahr 2017 erhebliche Fortschritte erzielt, sich im Frankfurter Leseverständnistest erheblich verbessert und nach Abschluss der Förderstufe für das 2017 beginnende siebte Schuljahr eine Realschulempfehlung erhalten habe, rechtfertige nicht die Annahme, die Förderung sei nicht über das Jahr 2017 hinaus notwendig gewesen. Vielmehr spreche der im Jahr 2018 einsetzende deutliche Abfall der Noten und die ebenfalls im Jahr 2018 wieder aufgenommene medikamentöse Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung dafür, dass gewichtige Gründe für eine Fortführung der zunächst ohnehin mit Zustimmung des Antragsgegners begonnenen außerschulischen Förderung des Kindes2 im Institut D bzw. D1 vorlägen. Dies gelte auch für die dortige Förderung des Kindes2 im Fach Englisch. Kind2 habe im Abschlusszeugnis des Schuljahrs 2015/2016 in Englisch eine 4 gehabt; ihm hätte ausweislich des Schreibens seiner Schule vom 17.5.2016 eine Zurückstufung vom Erweiterungskurs in den Grundkurs gedroht. Mit Hilfe der zusätzlichen Sprachförderung hätten sich seine Leistungen im Fach Englisch zunächst erheblich (Note 2 im Halbjahreszeugnis 2017/2018) verbessert, bevor sie sich erneut verschlechtert hätten. Das derzeitige Leistungsniveau lasse eine zusätzliche Förderung jedenfalls im Hinblick auf die bei beiden Eltern schon während des Zusammenlebens zum Ausdruck gebrachte Aufgeschlossenheit gegenüber außerschulischen Förderangeboten als sachlich gerechtfertigt erscheinen. An dem berechtigten Mehrbedarf müssen beide Eltern sich entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse beteiligen.